Aktuelles zum Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Mietzahlungspflicht und Lockdown?

Im Rahmen der von den Landesregierungen angeordneten Schließungen in Einzelhandelsgeschäften stellte sich mehrfach die Frage, ob der gewerbliche Mieter auch während einer behördlich angeordneten Betriebsschließung zur Zahlung der vollen geschuldeten Gewerbemiete verpflichtet ist. 

 

Die Landgerichte Heidelberg und Frankfurt am Main hatten zuvor in zwei Urteilen zum gewerblichen Mietrecht entschieden, dass sich bei der staatlich zur Eindämmung der Pandemie verordneten Schließung des Einzelhandels das Betriebsrisiko des Mieters verwirklicht und somit weiterhin die volle Miete geschuldet ist. Das Landgericht München hingegen kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Schließung im Rahmen des behördlich angeordneten Lockdowns unter Umständen um einen Mangel der Mietsache handeln kann.

 

Diese Rechtsfrage hatte auch das Oberlandesgericht Dresden beschäftigt. Das OLG Dresden entschied, dass die durch die Corona-Pandemie verursachte staatliche Schließungsanordnung für ein im Rahmen des Mietzwecks betriebenes Geschäft keinen zur Minderung der Miete führenden Mangel darstellt. Das OLG Dresden ging davon aus, dass es sich vielmehr um eine Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrages handelt. 

Eine angeordnete Betriebsschließung könne regelmäßig zur Anpassung des Mietvertrages dahingehend führen, dass die vertraglich vereinbarte Kaltmiete für den Zeitraum der Schließungsanordnung auf die Hälfte reduziert wird.

Da sowohl die Mieterin als auch die Vermieterin mit dieser Entscheidung des OLG Dresden nicht einverstanden waren, musste sich der Bundesgerichtshof mit der der Mietzahlungspflicht bei coronabedingter Geschäftsschließung befassen.

 

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 12.01.2022 (Az. XII ZR 8/21) entschieden, dass im Falle einer Geschäftsschließung, die aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie erfolgt, grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht kommt.

 

Die auf der Allgemeinverfügung der Landesregierung beruhende Betriebsschließung stellt jedoch nach Auffassung des Bundesgerichtshofes keinen Mangel in Sinne des § 536 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Dies ergibt sich daraus, dass die staatliche Anordnung der Betriebsschließung nicht unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts im Zusammenhang steht. Die behördlich angeordnete Geschäftsschließung knüpft nach Auffassung des Bundesgerichtshofes nämlich ausschließlich an die Nutzungsart und den sich daraus ergebenden Publikumsverkehr des Einzelhandels an.

Zu beachten ist allerdings, dass nach Auffassung des Gerichts die Betriebsschließung und damit der Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht automatisch zu einer Anpassung der Mietzahlungspflicht führen. Ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedarf auch im Fall einer behördlich angeordneten Betriebsschließung einer umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.

Insbesondere kann die von der Vorinstanz angenommene Vertragsanpassung dahingehend, dass nur die Hälfte der Miete geschuldet ist, nicht als allgemein verbindlich herangezogen werden. Vielmehr muss eine umfassende und auf den Einzelfall bezogene Abwägung durchgeführt werden. Zu berücksichtigen kann auch sein, welche Maßnahme der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern.

 

Nach alledem führt auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes nicht dazu, dass allgemein verbindlich davon ausgegangen werden kann, dass im Falle eines Lockdowns Mietzahlungen nicht geschuldet sind bzw. reduziert werden können.

 

Wir beraten Sie in diesem Zusammenhang gerne.

Bundesgerichtshof stärkt Verbraucherrechte bei außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Verträgen

Mit einem Urteil vom 20.10.2021 zu Az. I ZR 96/20 hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zu Verbraucherwiderrufsrechten präzisiert. Im zu entscheidenden Fall ging es um die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass dem Verbraucher auch bei einem Vertrag über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts ein Widerrufsrecht zusteht, wenn hierfür individuell eine passende Lauf-schiene angefertigt und in das Treppenhaus des Kunden eingepasst werden muss.

 

Nachdem zunächst das Landgericht Köln und das Oberlandesgericht Köln entschieden hatten, dass in diesem Fall ein Widerrufsrecht wegen des Abschlusses des Vertrages außerhalb von Geschäftsräumen nicht besteht, hat der Bundesgerichtshof nun letztinstanzlich entschieden, dass dem doch so ist.

Die Vorinstanzen waren noch davon ausgegangen, dass das Verbraucherwiderrufsrecht aufgrund der gesetzlichen Regelungen des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen ist. Da-nach besteht ein Widerrufsrecht nicht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind.

 

Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass unter dem Begriff „Verträge zur Lieferung von Waren“ nur Kaufverträge und Werklieferungsverträge fallen, nicht jedoch Dienstverträge oder Werkverträge. Für die letzteren beiden Vertragsarten gelte die Ausnahme für das Widersrufsrecht nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht.

 

Der Schwerpunkt eines Vertrages über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts liege eben nicht „auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz am zu liefernden Treppenlift, sondern auf der Herstellung eines funktionstauglichen Werks, das zu einem wesentlichen Teil in der Anfertigung einer passenden Laufschiene und ihrer Einpassung in das Treppenhaus des Kunden“ bestehe. Aus diesem Grunde spreche das Gesamtbild des Vertrages eher für einen Werkvertrag. Die gesetzliche Ausnahme galt daher nicht.

 

Der gesamte Bereich der Verbraucherschutzrechte enthält weiterhin viele unklare Rechtsfragen.

Wir beraten Sie in diesem Zusammenhang gerne.

"Lockdown" vielleicht doch ein Mangel?

Nachdem die Landgerichte Heidelberg und Frankfurt am Main in zwei Urteilen zum gewerblichen Mietrecht entschieden hatten, dass sich bei der staatlich zur Eindämmung der Pandemie verordneten Schließung des Einzelhandels das Betriebsrisiko des Mieters verwirklicht und somit weiterhin die volle Miete geschuldet ist, hat das Landgericht München nun in einem Urteil vom 22.09.2020 zu Az. 3 O 4495/20 entschieden, dass die staatlich verordneten Geschäftsschließungen doch auch einen Mangel der Mietsache begründen können.

 

Die Parteien des Rechtsstreits hatten einen Mietvertrag über Gewerberäume geschlossen. Nach § 1 des Mietvertrages erfolgte die Vermietung ausschließlich zum Zwecke und zum Betrieb und zur Nutzung eines Einzelhandelsgeschäfts. Der Frei-staat Bayern ordnete in der Zeit vom 18.03.2020 bis 26.04.2020 die Schließung aller Einzelhandelsgeschäfte an. Vom 27.04.2020 bis 10.05.2020 war die Nutzung des vermieteten Ladengeschäftes nur eingeschränkt auf einer Fläche von bis zu 800 m² im Erdgeschoss und im Untergeschoss möglich. Für diese Zeiträume bezahlte die Mieterin keine bzw. nur eine eingeschränkte Miete.

 

Das Landgericht München hat nun unter Verweis auf die historische Rechtsprechung des Reichsgerichts entschieden, dass durch das Verbot der Öffnung von Verkaufsstellen für den Einzelhandel oder das Gastgewerbe sehr wohl ein Mangel im mietrechtlichen Sinne vorliegen kann, wenn die Tauglichkeit der Mieträume für den vertragsgemäßen Gebraucht aufgehoben und gemindert ist. 

So urteilte das Reichsgericht bereits 1913, dass die Unbenutzbarkeit von Fabrikräumen aufgrund einer Untersagung der örtlichen Polizeibehörde einen Mangel darstelle. 

Auch 1915 habe das Reichsgericht im Hinblick auf ein Restaurantetablissement, das jedenfalls nicht in unwesentlicher Weise als Tanzbar betrieben wurde, entschieden, dass das nach Beginn des Ersten Weltkrieges verfügte Tanzverbot einen Minderungsanspruch der Mieter rechtfertigte. 

Auch 1916 hat das Reichsgericht dem Pächter eines Nachtlokals ein Minderungsrecht zugesprochen, nachdem die Polizeistunde allgemein vorverlegt wurde, und so der Betrieb eines Nachtlokals nicht mehr möglich war.

 

In seinem Urteil hat Landgericht München auf die konkrete Formulierung im vorliegenden Mietvertrag abgestellt, wonach die Mieträume eben ausdrücklich und ausschließlich zur Nutzung als Einzelhandelsgeschäft vermietet werden. Das Landgericht München sprach dem Mieter ein Minderungsrecht von 80% für den Zeitraum der voll-ständigen Schließung des Geschäfts zu. In diesem Zeitraum hätte die Mieterin die Räumlichkeit nur noch für die Mitarbeiter und die Aufrechterhaltung der Verwaltung und Inventurarbeiten oder für den Versandhandel nutzen können. Für den eingeschränkten Betrieb auf nur einer Fläche von 800 m² sprach das Landgericht den Mietern ein Minderungsrecht von 50% zu.

 

Die unterschiedlichen Urteile der Landgerichte macht deutlich, dass im Einzelfall sehr detailliert geprüft werden muss, welche vertragliche Vereinbarung dem Mietverhältnis zu Grunde liegt. Erst dann kann beurteilt werden, ob die Minderung des geschuldeten Mietzinses möglich ist. Sehr gerne prüfen wir für Sie Ihren Mietvertrag.

"Lockdown" ist kein Mangel

Nachdem bereits das Landgericht Heidelberg im Juli entschieden hatte, dass eine Mietminderung wegen staatlich verordneter Ladenschließung nicht möglich ist, hat auch nun das Landgericht Frankfurt einem Vermieter insoweit Recht gegeben. Geklagt hatte der Vermieter eines Einzelhandelsgeschäfts einer größeren Bekleidungskette, welche aufgrund der Verordnung des Landes Hessen während der Zeit der Schließung sämtlicher Verkaufsstätten des Einzelhandels in der Zeit vom 18.03.2020 bis 20.04.2020 keine Miete mehr bezahlt hatte. Die beklagte Mieterin berief sich darauf, dass sie während der Zeit der Schließung nicht zur Mietzinszahlung verpflichtet sei, da die Verkaufsfläche eben nicht zum vertraglich vorgesehenen Verwendungszweck wegen der staatlichen Schließung genutzt werden konnte. Auf jeden Fall stünde ihr ein Anspruch auf Vertragsanpassung aufgrund der Störung der Geschäftsgrundlage zu.

 

Das Landgericht Frankfurt ist dieser Argumentation nicht gefolgt. Staatliche Maßnahmen könnten zwar grundsätzlich die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch mindern und somit einen Sachmangel darstellen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Beschränkungen der konkret vermieteten Sache ihre Ursache in deren Beschaffenheit haben und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters. Die hoheitlichen Maßnahmen dienten dem Schutz der Bevölkerung vor allgemeingesundheitlichen Gefahren. Sie knüpfen jedoch nicht unmittelbar an die konkrete Beschaffenheit der Mietsache an, sondern allgemein an die Nutzungsart sowie den Umstand, dass in den betroffenen Flächen Publikumsverkehr stattfindet und dadurch Infektionen begünstigt werden.

 

Mit der staatlich verordneten Schließung hat sich für die Bekleidungskette lediglich das allgemeine Verwendungsrisiko verwirklicht, welches allein von ihr zu tragen ist. Der Vermieter hat die Mietsache in einem gebrauchstauglichen Zustand bereitgestellt. Der Umstand, dass die Nutzung für die Beklagte nicht wie von ihr beabsichtigt möglich war, liegt in ihrem Risiko.

 

Auch ein Anspruch auf Anpassung des Vertrages unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB kommt nicht in Betracht. Zum einen konnte das Gericht nicht feststellen, dass die Parteien den Mietvertag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten, wenn sie vorausgesehen hätten, dass es zu einer staatlich angeordneten Schließung der Verkaufsstätten des Einzelhandels kommen würde. Darüber hinaus ist der Beklagten das Verhalten am unveränderten Vertrag zumindest nicht unzumutbar. Eine Vertragsanpassung setzt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH voraus, dass diese zur Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben nicht zuzumutenden Ergebnisses unabweislich erscheint. Dies liegt vorliegend nach Ansicht des Landgerichts Frankfurt nicht vor.

 

Zumindest in der landgerichtlichen Rechtsprechung scheint sich somit abzuzeichnen, dass die Kosten der pandemiebedingten Schließungen im Wesentlichen vom Mieter zu tragen sind. Sowohl das Landgericht Frankfurt als auch das Landgericht Heidelberg haben in ihren Entscheidungen darauf verwiesen, dass gewerbliche Mieter von den staatlichen Maßnahmen nicht nur belastet sind, sondern eben z.B. durch den Kündigungsausschluss oder die Möglichkeit, Kurzarbeitergeld für ihre Mitarbeiter zu erhalten, auch gefördert werden.

 

Sehr gerne beraten wir Sie auch zu den mit der Pandemie zusammenhängenden mietrechtlichen Fragen.

Coronavirus und die Rechtsfolgen

Im Rahmen der aktuellen Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der weiteren Verbreitung des Sars-CoV-2 (Coronavirus) werden zahlreiche Veranstaltungen sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich abgesagt. Die Schließung von Universitäten und Schulen steht kurz bevor. Es ist davon auszugehen, dass auch alsbald Kindergärten und Kindertagesstätten von Schließungen betroffen sind. Unternehmen schicken ihre Mitarbeiter ins Homeoffice, vollständig nach Hause oder schließen gar den Betrieb ganz. Erste Behörden sind geschlossen und es ist mit weiteren Einschränkungen der Reise- und Bewegungsfreiheit zu rechnen.

 

Alle diese Maßnahmen führen hoffentlich zu einer Verringerung der Zahl der Neuinfektionen und zu einer Abflachung der Infektionskurve. Jedoch führen diese Maßnahmen auch alle zu wirtschaftlichen Einbußen und zahlreichen Rechtsfragen. Müssen bereits bezahlte Teilnahmegebühren oder Eintrittsgelder vom Veranstalter abgesagter Konferenzen oder Konzerte zurückbezahlt werden? Muss ich das für meine Mitarbeiter bereits gebuchte Messehotel bezahlen? Kann ich einfach Zuhause bleiben, wenn die Schule meiner Kinder wegen eines Coronaverdachts geschlossen wird oder muss ich zur Arbeit gehen?

 

Auch wenn diese Fragen neben dem Gesundheitsschutz banal wirken, dürfen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Schutzmaßnahmen nicht unterschätzt werden. Die rechtlichen Fragen können jedoch nicht pauschal beantwortet werden. Fest steht jedoch, dass eine Rückerstattung bereits vorausbezahlter Kursgebühren, Anzahlungen oder auch Eintrittsgelder nicht mit dem pauschalen Verweis auf den vermeintlichen Rechtsbegriff der „höheren Gewalt“ verweigert werden kann. Es gilt weiterhin der Grundsatz, dass niemand für eine nicht erbrachte Leistung ein Entgelt verlangen kann. Möglicherweise besteht aufgrund der aktuellen außergewöhnlichen Umstände Situation, in der eine Haftung für weitergehende wirtschaftliche Schäden ausgeschlossen ist.

 

Gerne sind wir bereit, Ihre Rechtsfragen im Zusammenhang mit Coronavirus aus allen Bereichen wie z.B. dem Arbeitsrecht, dem Mietrecht, den (Werk-)Vertragsrecht, dem Reiserecht – auch nur telefonisch – zu beantworten und Ihren Fall individuell zu prüfen.

Neue Rechtsprechung des BGH hinsichtlich einer Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Berufs- oder Geschäftsbedarfs

Der Vermieter eines Wohnraummietverhältnisses kann gemäß der Regelung in § 573 BGB ein Mietverhältnis nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse hat. Im Absatz 2 des § 573 BGB sind diese berechtigten Interessen aufgeführt. Ein berechtigtes Interesse besteht bei einem Eigenbedarf für Wohnzwecke. Ein weiteres berechtigtes Interesse besteht darin, dass der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert wird und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde (Verwertungskündigung). Es stellt sich die Frage, wie die Fälle zu behandeln sind, in denen der Vermieter seinem Mieter den Mietvertrag kündigen will, weil er die Mietwohnung für eigene berufliche Zwecke benötigt.

 

Der Bundesgerichtshof hat nunmehr neue Regeln für eine Kündigung wegen Berufs- oder Geschäftsbedarf entwickelt. Der eigentlich als eher vermieterfreundlich geltende VIII. Zivilsenat hat Leitlinien aufgeführt, die dazu führen, dass eine Kündigung wegen Berufs- oder Geschäftsbedarfs für Vermieter schwieriger geworden ist. Die Rechte der Mieter wurden gestärkt. Im Jahr 2012 hat der BGH noch entschieden, dass die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses zulässig sei, um die Wohnung der Ehefrau des Vermieters zur Verfügung zu stellen, damit diese ihre Anwaltskanzlei dorthin verlegen konnte. Diese Entscheidung des BGH wurde von der Rechtsprechung teilweise dahingehend aufgefasst, dass ein Nutzungsbedarf für freiberufliche oder gewerbliche Zwecke den in § 573 Abs. 2 BGB aufgeführten Kündigungsgründen generell gleichzusetzen sei. Dem hat der BGH in seiner Entscheidung vom 29.03.2017 (VIII ZR 45/16) nunmehr eine Absage erteilt. Der BGH hat verdeutlicht, dass auch bei einer Kündigung wegen Berufs- oder Geschäftsbedarfs eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls folgen muss.

 

In dem von dem Bundesgerichtshof entschiedenen Fall lebte der Mieter bereits seit 1977 in einer 2-Zimmer-Wohnung in Berlin. Die Vermieterin hatte das Grundstück bei einer Zwangsversteigerung gekauft. Ihr Ehemann betrieb im 1. OG des Gebäudes ein Beratungsunternehmen. Sie kündigte dem Mieter mit der Begründung, seine Wohnräume für die Erweiterung des Geschäftsbetriebes ihres Mannes zu bemötigen. Sie begründete die Kündigung weiter damit, dass ihr Ehemann dringend einen weiteren Arbeitsplatz sowie ein Archiv benötige, da sein Büro keinen weiteren Platz für Akten mehr aufwies. Der Mieter widersetzte sich der Kündigung. Das Amtsgericht und das Landgericht gestanden der Vermieterin zu, dass sie ein berechtigtes Interesse an der Kündigung habe. Die Kündigung stehe dem Eigenbedarf gleich. Nach der Entscheidung des BGH kann der Berufs- oder Geschäftsbedarf nicht als ungeschriebene Kategorie des Eigenbedarfs behandelt werden.

 

Nach dem BGH ist entscheidend, ob eine reine gewerbliche Nutzung oder sogenannte Mischnutzung erfolgen soll. Der Entschluss des Vermieters, die Wohnung nicht nur zum Wohnen, sondern auch überwiegend gewerblich oder beruflich zu nutzen, (Mischnutzung) weise Parallelen zu dem Eigenbedarf auf. Für ein berechtigtes Interesse an einer Kündigung reiche es in diesen Fällen aus, wenn dem Vermieter ohne Bezug der Mietwohnung ein beachtenswerter Nachteil entstünde. Anders ist dies jedoch, wenn der Vermieter oder sein Ehepartner die bisherige Mietwohnung alleine für berufliche oder geschäftliche Zwecke nutzen will. Hier sei eine größere Nähe zum Kündigungsgrund der Verwertungskündigung gegeben. Dafür seien strengere Maßstäbe anzulegen. So müsse dem Vermieter ohne die Nutzung der Mietwohnung ein Nachteil von einigem Gewicht drohen. Als Beispiele hat der BGH aufgeführt, dass ohne die Nutzung der Wohnung kein rentables Betreiben des Geschäfts möglich sei. Weiter wurde der Wunsch des Vermieters, die freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit eng mit dem privaten Lebensbereich zu verbinden als solcher Grund angesehen, etwa weil Kinder oder pflegebedürftige Personen zu betreuen sind. Gegebenenfalls kommt auch in Frage, dass gesundheitliche Einschränkungen bestehen, die dazu führen können, dass dem Erlangungsinteresse des Vermieters der Vorrang vor dem Bestandsinteresse des Mieters gebührt.

 

Im vom BGH entschiedenen Fall kam dieser zum Ergebnis, dass kein berechtigtes Interesse an einer Kündigung bestand. Es sei nicht ersichtlich, dass dem Ehemann der Vermieterin ohne die Nutzung der Wohnung ein Nachteil von einigem Gewicht drohe.

 

Diese Entscheidung hat Auswirkung auf die Praxis. Es wird schwieriger werden, Kündigungen von Wohnraummietverhältnissen durchzusetzen, die mit einem Berufs- oder Geschäftsbedarf begründet werden.

 

Bei der Formulierung einer entsprechenden Kündigung sind daher erhöhte Voraussetzungen zu beachten. Spiegelbildlich kann es sich für den Mieter lohnen, im Falle einer entsprechenden Kündigung die Kündigungsgründe näher zu ergründen. 

Gefahr für gewerbliche Vermieter bei energetischer Sanierung

In vielen Mietverträgen über Geschäftsräume ist vorgesehen, dass im Fall der Durchführung energetischer Modernisierungsmaßnahmen eine Mieterhöhung gemäß der gesetzlichen Regelung (Erhöhung der jährlichen Miete um 11 %) vorgenommen werden kann.

 

Eine entsprechende Regelung wird in den Formularmietverträgen häufig wie folgt formuliert:

 

„Führt der Vermieter Maßnahmen zur Modernisierung der Mietsache oder zur nachhaltigen Einsparung von Energie oder Wasser durch oder ist er zu Veränderungen aufgrund behördlicher Anordnung verpflichtet, ist er zu einer nachfolgenden Mieterhöhung entsprechend §§ 595 – 595 b BGB berechtigt.“

 

Nach der gesetzlichen Regelung in § 555 e BGB steht dem Mieter bei entsprechenden Modernisierungsmaßnahmen jedoch ein Sonderkündigungsrecht zu. Dieses Sonderkündigungsrecht kann bei Wohnraummietverhältnissen nicht ausgeschlossen oder abbedungen werden.

 

In Geschäftsraummietverhältnissen ist die Regelung grundsätzlich zu Ungunsten des Mieters abdingbar. Problematisch ist, dass in vielen Formular-Gewerberaummietverträgen dieses Sonderkündigungsrecht nicht ausgeschlossen wird. Dies hat zur Folge, dass der Mieter nach Zugang einer Modernisierungsankündigung das Mietverhältnis kündigen kann. Bei Gewerberaummietverhältnissen, die häufig für Zeiträume von 5 oder 10 Jahren fest abgeschlossen werden, wird diese Sonderkündigungsmöglichkeit von dem des Vermieter regelmäßig nicht gewünscht sein.

 

Mittelbar kann das Fehlen eines Ausschlusses des Sonderkündigungsrechtes ggf. auch zur Folge haben, dass der Vermieter aufgrund des Drohens der Sonderkündigung darauf verzichtet, eine Mieterhöhung wegen einer energetischen Sanierung gegenüber dem Mieter auszusprechen.

 

Aufgrund dieser Umstände besteht daher Handlungsbedarf für die Vermieter von Geschäftsräumen. Unstreitig ist, dass das Kündigungsrecht des Mieters im Wege einer individualvertraglichen Vereinbarung ausgeschlossen werden kann.

 

Noch nicht obergerichtlich entschieden ist, ob ein solcher Ausschluss in gleicher Weise im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Vermieters erfolgen kann. Ein Kündigungsausschluss sollte bereits in den Geschäftsraummietvertrag eingefügt werden.

 

Bis auf weiteres empfiehlt es sich, im Falle einer energetischen Modernisierung stets den sichersten Weg einer individualvertraglichen Vereinbarung in Form einer zusätzlichen schriftlichen Vereinbarung, die dem Mietvertrag als Nachtrag beigefügt werden sollte, zu beschreiten. Hierbei muss darauf geachtet werden, dass diese zusätzliche Individualvereinbarung mit dem Mieter nicht erst vor Beginn der Modernisierungsmaßnahme selbst, sondern vor der Übermittlung der Modernisierungsankündigung getroffen wird, da die Entstehung des Sonderkündigungsrechtes an die Übermittlung der Modernisierungsanzeige anknüpft.